Bundesregierung: Angriff auf die Energiewende in Bürgerhand

Berlin, 16. November 2018: Um 20 Prozent will die Bundesregierung im Hauruck-Verfahren die Einspeisevergütung für größere Solar-Dachanlagen zum 1. Januar 2019 kürzen. Das würde das Aus für viele Bürgerenergie-Projekte bedeuten.

Die Bundesregierung will zum 1. Januar 2019 die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Dachanlagen zwischen 40 und 750 Kilowatt um rund 20 Prozent kürzen. Das bedeutet eine Absenkung von derzeit 10,57 Cent pro Kilowattstunde auf 8,33 Cent. Die Konsequenzen für den Solarzubau und besonders für die Bürgerenergie werden massiv sein. Dabei hat 2018 der Zubau der Photovoltaik nach fünf Jahren das erste Mal wieder die gesetzliche Vorgabe von 2,5 Gigawatt jährlich neu installierter Leistung erreicht. Damit Deutschland realistischer Weise die Klimaziele erreichen kann, wäre ein Mehrfaches dieses Zubaus nötig.

„Das geplante Gesetz trifft jedes zweite Photovoltaik-Projekt, wird den Ausbau der Photovoltaik für Jahre blockieren und erhebliche wirtschaftliche Schäden oder gar Insolvenzen bei den betroffenen Unternehmen der deutschen Solarbranche mit ihren über 30.000 Beschäftigten bewirken“, sagt Malte Zieher, Vorstand des Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Deshalb fordert das BBEn die Bundesregierung auf, die Kürzung zum 01. Januar 2019 zurückzunehmen.

Bundesregierung bricht Vertrauen

Das Bundeswirtschaftsministerium hat ohne Anhörung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden den Gesetzentwurf erarbeitet und will das Energiesammelgesetz in kürzester Zeit durch das Gesetzgebungsverfahren „peitschen“. Das Bündnis Bürgerenergie hält dies für einen Vertrauensbruch gegenüber der Bürgerenergie. Anfang November wurde der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt. Wenige Tage später, am 5. November, beschloss das Bundeskabinett den Gesetzentwurf, am 9. November kam es zur ersten Lesung in den Bundestag. „Aus unserer Sicht verstößt die Bundesregierung damit sowohl gegen den Koalitionsvertrag als auch gegen § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Bündnis Bürgerenergie, des Solarenergie Förderverein und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie.

Bürgersolarprojekte stehen vor dem Aus

Ein Großteil der von Bürgerenergiegesellschaften initiierten Photovoltaik-Anlagen wird auf großen, oft öffentlichen Gebäuden errichtet. Durch die geplante EEG-Kürzung sind viele Bürgerenergieprojekte akut bedroht. Eines von vielen Beispielen: Die EWERG eG aus Erlangen treibt seit über zwei Jahren das Dach-PV-Projekt mit 425 kWp auf dem Nahversorgungszentrum "Alte Ziegelei" voran. Die Planungen, der Kaufvertrag und die Kosten sind fixiert und die Fertigstellung sollte Anfang 2019 erfolgen. Mit der Vergütungsabsenkung um 20 Prozent ist das Projekt nicht mehr wirtschaftlich. Unzählige Arbeitsstunden wären umsonst, der Schaden durch schon getätigte Investitionen wäre zu ersetzen und das Potential von rund 400 MWh CO2-frei erzeugten Stromes vernichtet.

Die Vergütung für Solaranlagen ist dieses Jahr aufgrund des gewachsenen Zubaus bereits um etwa fünf Prozent gesunken. Zwar sind die Einkaufspreise für Solarmodule in den letzten Monaten gesunken, doch längst liegt ein großer Teil der Kosten bei der Montage der Anlagen sowie der Integration in die Gebäudetechnik und stärkt die lokale Wertschöpfung. Bei großen Photovoltaik-Dachanlagen fallen z.B. Aufwendungen für Gerüste, Gutachten, Blitzschutz bis zum Umbau der Gebäudeelektrik an.

Mieterstrom massiv gefährdet

Die Kürzung der Einspeisevergütung betrifft auch neue Mieterstromanlagen. Damit torpediert die Bundesregierung ein Gesetz, das sie erst vor einem Jahr eingeführt hat. Da der Mieterstromzuschlag an die Einspeisevergütung gekoppelt ist, würde sich die Mieterstromförderung im Segment von 40 bis 750 Kilowatt automatisch um bis zu 60 Prozent reduzieren. Diese Kürzung würde dem ohnehin schwachen Mieterstrom-Sektor den Garaus bereiten. So hat sich zum Beispiel die Heidelberger Energiegenossenschaft vertraglich zu zwei Mieterstromprojekten mit Wohnprojekten verpflichtet, die 2019 umgesetzt werden sollen und nun wirtschaftlich gefährdet sind.„Deshalb ist es zentral, dass der Mieterstromzuschlag stabil bleibt. Deutlich sinnvoller wäre es, Mieterstrom dem Eigenverbrauch gleichzustellen und die Belastung der Eigenversorgung mit EEG-Umlage abzuschaffen“, so Malte Zieher weiter.

„Millionen von Dächern in Deutschland könnten für die Energiewende genutzt werden. Städte und Gemeinden sind dabei, diese Potentiale zu heben – häufig in Kooperation mit lokalen Bürgerenergiegesellschaften. Das Energiesammelgesetz schickt sich nun an, dies zu verhindern. Dies trägt weder dem akuten Bedarf des Klimaschutzes noch Planbarkeit, Vertrauensschutz und Investitionssicherheit in Erneuerbare Energien Rechnung“, so der BBEn-Vorstand.

Die Stellungnahme zum Energiesammelgesetz als Download auf der Seite des Bündnis Bürgerenergie

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