Energiegenossenschaften: Konflikte erfolgreich identifizieren und handhaben

Konstruktiv mit Konflikten umgehen ist eines der Erfolgsfaktoren von Energiegenossenschaften. Auf einem Workshop Ende November beschäftigten sich Verantwortliche von Genossenschaften einen Tag mit Konfliktthemen und -lösungen.  

Das Thema wird nicht gerne öffentlich gemacht. Konflikte? Haben wir nicht. Beim näheren Hinschauen ist das anders. Genau hingeschaut haben Wissenschaftler des Forschungsprojekts BENERKON von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HJWU)und der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn. Sie besuchten als teilnehmende Beobachter 15 Generalversammlungen, und interviewten verschiedene Akteuren von knapp 40 Bürgerenergiegenossenschaften. Herausgekommen ist eine bisher einmalige Studie über Konfliktthemen in Energiegenossenschaften und wie die Akteure diese konstruktiv handhaben können.   Auf dem Workshop des Landesnetzwerks Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz und des Netzwerks Energiewende Jetzt stellten die Wissenschaftler zuerst die wichtigsten Ergebnisse ihres Forschungsprojektes vor. Dann ging es praktisch weiter. Die Teilnehmenden analysierten anhand von Beispielen typische Konfliktmuster – und arbeiteten mit der Methode Kollegiale Beratung an Ideen und Impulsen für aktuelle schwierige Situationen aus ihren Genossenschaften. Das erforderte gegenseitiges Vertrauen, das in der Gruppe schnell vorhanden war. „Natürlich haben wir in unserer Energiegenossenschaft Konflikte“, sagt eine Teilnehmerin. „Die Hürde ist, offen darüber zu reden.“   Der Begriff Konflikt ist für viele Menschen negativ besetzt. Das sehen die Wissenschaftler der BENERKON Studie anders. „Ein mittleres Konfliktniveau innerhalb von Organisationen führt zur höchsten Gruppenleistung“, sagt Professor Dr. Carsten Herbes, von der HJWU, der Leiter des Projektes BENERKON.   Ziele, Prozesse, Verteilung und Beziehungen - Konfliktthemen Die Wissenschaftler identifizierten vier Formen von Konflikten in Bürgerenergiegenossenschaften:
  • Zielkonflikte über neue Aktivitäten und Geschäftsfelder, über Kooperationen, Risikobereitschaft usw.
  • Prozesskonflikte z.B. über die Frage, wer nach außen kommuniziert, wie die Genossenschaft Entscheidungsprozesse regelt usw.
  • Verteilungskonflikte etwa über die Verwendung von Überschüssen, die Höhe der Ausschüttungen
  • Beziehungskonflikte, also persönliche Differenzen zwischen den Akteuren

Quelle: Forschungsprojekt BENERKON, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Je nach Entwicklungsphase der Genossenschaft können unterschiedliche Themen in den Vordergrund treten. Während der Stabilisierungs- und Wachstumsphase haben zum Beispiel die Renditeerwartung, neue Geschäftsfelder, die hohe Arbeitsbelastung der ehrenamtlichen Vorstände, Anerkennung und Vergütung Konfliktpotential. Dabei gilt: Veränderte politische Rahmenbedingungen, höhere fachliche Anforderungen und die Komplexität neuer Geschäftsmodelle, damit verbunden höhere Risiken, können Konfliktthemen in Energiegenossenschaften schärfen.   Konstruktiv mit Konflikten umgehen Konflikte sind handhabbar, indem sich Genossenschaften über Konfliktpotentiale im Klaren werden und präventiv handeln, so die Botschaft der Wissenschaftler. Hat sich die Energiegenossenschaft ein Leitbild gegeben, in dem sie Ziele, Werte und die Zusammenarbeit beschreibt? Ist die Arbeitsorganisation klar geregelt? Wer ist für was verantwortlich? Wie gut sind die Prozesse definiert und dokumentiert? Wie will die Genossenschaft wachsen? Gibt es unterschiedliche Interessen?   Ein wichtiges Thema, so die BENERKON-Studie, sind die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben. Sind diese in Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliedern klar definiert? Werden sie eingehalten? Wer trägt für was Verantwortung? Ist diese geteilt? Wie stark sind die Mitglieder eingebunden? Zu den Konfliktpotentialen gehört auch die Transparenz: Sind die Entscheidungsprozesse klar. Wie kommunizieren Vorstand und Aufsichtsrat miteinander? Wie gut und regelmäßig werden die Mitglieder informiert?   Energiegenossenschaften wenden zahlreiche Maßnahmen an, um Konflikten vorzubeugen oder konstruktiv mit ihnen umzugehen. Systematisiert können die Verantwortlichen kommunikativ sowie strukturell Konflikten handhaben, vorbeugend oder kurativ handeln. Eine Kultur von Lob und gegenseitiger Wertschätzung beugt etwa auf der kommunikativen Ebene Auseinandersetzungen vor. Strukturell kann das Thema Wertschätzung z.B. über Vergütungen behandelt werden. In Generalversammlungen können die handelnden Personen fair und moderierend kommunizieren und Kritik aufnehmen, eine strukturelle Maßnahme ist z.B. das geschlossene Auftreten von Aufsichtsrat und Vorstand   Auf keinen Fall sollten die handelnden Personen Konflikte negieren, nicht ansprechen oder verschleppen. Das erhöht die „Folgekosten“: Keine neuen Projekte, weniger Umsatz und mehr noch: Die Motivation der handelnden Personen sinkt, bis zum Rückzug wichtiger Akteure.   Das Fazit des BENERKON-Projekts: Genossenschaften, die Konfliktpotentiale im Blick haben und Konflikte konstruktiv handhaben, sind wirtschaftlich erfolgreicher. Sie haben eine höhere Konstanz der verantwortlichen Personen und arbeiten motivierter zusammen.   Das Fazit der Teilnehmenden: „ Ich habe wertvolle Impulse für meine Arbeit vor Ort bekommen.“ -  „Die Zahl der Handlungsoptionen hat zugenommen. Mir hat es viel gebracht, unser schwieriges Thema hier zu besprechen.“     Zur Kurzversion des Vortrages: „Bürger-Energiegenossenschaften – Konflikte erfolgreich identifizieren und handhaben“   Eine knappe Zusammenfassung der Studie ist in der Zeitschrift GENOGRAPH, 8/2015 erschienen: Prof. Dr. Carsten Herbes, Naomi Gericke, Vasco Brummer: Bürger-Energiegenossenschaften nicht immer einer Meinung. Geno_Graph_2015-08_Buerger-Energiegenossenschaften__2_.pdf Im Frühjahr 2016 erscheint die Publikation „Bürgerenergiegenossenschaften: Konflikte erfolgreich identifizieren und handhaben. Leitfaden für Vorstände und Aufsichtsräte

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